Bayerische Staatsoper München – „Der Rosenkavalier“, 5. Februar 2017

„Diese Magie verdanken wir in großen Teilen der bewegenden Verkörperung von Anne Schwanewilms. Tatsächlich ist es, gleich vom ersten Moment an, nicht die deutschen Sopranistin, die wir sehen, sondern die Marschallin selbst, so wie Strauss und Hoffmannsthal sie sich gewünscht haben. Mehr als eine reine Darstellung, eine Inkarnation. Es ist kaum möglich, ein so eindrückliches Phänomen in Worte zu fassen, so sehr schien jede Silbe vom Librettisten selbst diktiert, jede Tonmodulation vom Komponisten persönlich dargereicht worden zu sein. Es gab nicht eine Geste, deren Sinn sich nicht vollständig erschloss, nicht einen Blick, der nicht das Herz von Bichette offen legte. Ihre schmerzhafte Erkenntnis von der Zeit, die so schnell vergeht, ihre wahrhaftige Liebe zu Oktavian und ihr Resignation, ihm seine Freiheit zu geben – man weiß nicht, was einem an meisten beeindruckt hat in diesem Charakterporträt, das Vollkommenheit erreicht. Fügen wir hier noch die königliche Haltung dazu, gekrönt von einer flammend roten Haarpracht, erleben wir Anne Schwanewilms Auftritt im dritten Akt mit Tränen in den Augen, sie ist mehr Marschallin als je zuvor. Inmitten der stimmlichen Perfektion des gesamten Auftritts, zwei Momentaufnahmen: Am Ende des ersten Aktes, das fast schon unwirkliche Pianissimo auf dem Wort „Ros’n“, wo das Timbre, rein wie Quellwasser, über dem Orchester zu schweben scheint; und im letzten Akt ihre letzte Phrase, die das legendäre Terzett eröffnet, „Hab mir’s gelobt“, die sich ausbreitet und buchstäblich im Raum hängen bleibt, sich mit ergreifenden Portamenti erhebt, die damit enden, unser Herz zum Schmelzen zu bringen.“

Nicolas Grienenberger, www.classiquenews.com, 7. Februar 2017