Liederabende als Quelle musikalischer Energie (London 2009)

Anne Schwanewilms ist zwar eine der großartigsten Strauss – Sopranistinnen ihrer Generation, sie steht aber trotzdem mit beiden Füßen auf dem Boden; die Wurzeln ihrer Karriere sind gesunder Menschenverstand und außerordentliche Geradlinigkeit.

(…) sie wusste immer, dass sie Konzerte und Liederabende singen wollte – und dass sie Opernpartien so singen wollte wie Liedgesang, jedes Detail herausarbeitend. Sie wusste aber auch, dass sie, um das zu erreichen, nicht ein Repertoire singen konnte, das in den Bereich der Stentorstimme gehört: Rollen, in denen die Zuhörer vor allem laute Töne erwarten. Sie ist, wie immer, ganz offen hinsichtlich ihrer Prioritäten: „Oper ist für mich nur der eine Teil meiner Karriere. Liederabende geben mir musikalische Erfahrungen, die für meine Entwicklung lebenswichtig sind. So viele verschiedene Rollen in ganz kurzer Zeit zu spielen: Das ist die Hauptschwierigkeit eines Liederabends, und es ist die Herausforderung, die ich am allermeisten liebe. (…) Die Stimme muss eine Basis haben, von der aus baue ich dann auf, fülle die Gesangslinie mit Energie, mit unterschiedlichen Emotionen. Ich kann meine Stimme wie ein Instrument einsetzen, die Farben mischen.“

(…) Und dann sind wir wieder beim Lieder singen: Anne Schwanewilms weiß, dass mit einem 100-Mann-Orchester und komplizierten Abläufen auf der Bühne ihre Flexibilität notwendigerweise eingeschränkt ist – aber die Art von gegenseitigem Geben und Nehmen, wie sie bei Liederabenden möglich ist, zwischen der Sängerin, dem Begleiter und den Zuhörern, die wird für sie immer das Ideal sein, etwas, das sie auch in jeder Opernaufführung anstrebt. Ein Projekt für ein ganzes Leben, und zwar ein sehr ehrenwertes …

Auszüge aus einem Artikel und Interview, erschienen im Magazin ‚Opera’ (London), Januar 2009