Ein Gesang wie ein Blumengarten. (Classica /Frankreich No 171, April 2015)

Ein Tribut von André Tubeuf

Anne Schwanewilms

Ein Gesang wie ein Blumengarten. Die deutsche Sopranistin hat zuerst das Handwerk der Gärtnerin erlernt. Sie hat eine beispiellose Karriere aufgebaut (Strauss, Wagner).

Zu Beginn verzögert sie diese Karriere für ein paar Jahre. Sie wollte Gärtnerin werden. Anne Schwanewilms ist ohne Zweifel die einzige Sängerin, die die lateinischen Namen aller Blumen vom Bouquet, das sie am Ende einer Aufführung bekommt, nennen kann.

Der Gesang setzte sich gegen den Gartenbau durch, aber in diesem Falle ist der geheime Garten eines Sängers wirklich sein eigener Garten. Ihr Garten geht bis zum Fluss runter.

Von seinen Blumen hat sie in ihrer Ausdrucksform, die exquisit ist (in Französisch auch: Debussy), die Farbtöne, die Schattierungen und die Nuancen von Licht und Schatten übersetzt. Aber es ist etwas ganz Berauschendes und Seltenes, was uns in den Kopf geht. Ein ganzes Bouquet, Freude und fast der Rausch von Düften, wenn sie uns bei “Ich atmet' einen linden Duft" aus Mahlers Rückert-Liedern die Variationen der Linde darbietet, dieser süsse Geschmack von zarten Lindenblüten. Eine Zauberin!

Sie ist dann selber ein bisschen Loreley, ihr goldenes Haar offen auf den Schultern. Wesen einer anderen Welt, das Schumann hätte vertonen können.

Die Anfänge waren alles andere als offensichtlich. Nur ihre tiefe und warme Sprechstimme (aber nie heiser) erinnert daran, dass sie als Altistin begann. Als Kind und Jugendliche sang sie in Kirchenchören alles was tief war. Von Bachs Leidenschaften bis… Dalila.
Aber sobald sie sich für das Theater entschieden hatte, führte der Weg diese große goldenenhaarige Dame in Richtung Mezzosopran und darauf zu Wagner, als ob er natürlich vorgegeben wäre.

Man könnte von ihr sagen, sie sei geboren für die 'Walhalla‘ von Wellgunde im Rheingold. Sie wurde schnell zur Gutrune in Bayreuth und verkörperte in Deutschland mit Elsa oder Elizabeth zwei Blondinen Wagners. Und später, unvorsichtiger, Senta. Und warum nicht bald Brünnhilde?

Ein Instinkt ist in ihr erwacht. Ihre Stimme war am Anfang tief (und ihre Füsse stabil auf dem Boden, mit festen Wurzeln wie Blumen). Aber ihr Gesang, ebenfalls golden, stieg wie vom Licht angezogen auf und entfaltete sich in hohen Tönen, in der Elegie und in der Lyrik.

Sie hatte bei ihrem Debüt keine Helfer und Schutzengel wie alle anderen, ein Debüt der schwierigsten Sorte. Also schon eine Hochdramatische. Sie wird nie mehr anders sein. Auf ihrem Weg ist die richtige Alternative erschienen. Ein jugendlicher Fidelio und vor allem eine Euryanthe von Mond und Milch in Glyndebourne. Und danach alles, was in Musik und Gesang mit Spätromantik verbunden ist und zuoberst die Wiederentdeckung Schrekers.

Ihr doppelter Durchbruch war in Berlin "Der ferne Klang" und in Salzburg die Großveranstaltung “Die Gezeichneten” im Jahr 2005. Zur gleichen Zeit glänzte sie in Richard Strauss in einer poetischen Ehe aus Noten und Wörtern mit Nuancen und Halbtönen. Eine Art ewigen Hochgenusses von enharmonischen Verwechslungen (wie Schwarzkopf, mit der sie mehr als nur einen Garten gemeinsam hat).
Ihre Arabella und ihre Marschallin haben in ihren Stimmempfindlichkeiten und Verfeinerungen eine heute einzigartige, emaillierte Sanftheit, und gleichwohl hat die Kaiserin etwas gleichzeitig Wollüstiges und unschuldig Leuchtendes, das flattert und magisch entweicht, als ob es nicht von hier wäre.

Eine solche komplette szenische Verkörperung wäre zweifellos unmöglich ohne ihre leidenschaftliche (und mühsame, eine wahre Gartenarbeit) Erforschung der Landschaften der Lieder. Es war bei Hugo Wolf als sie zum ersten Mal ihr natürliches Glück in einer symbiotischen Ehe von Noten und Wörtern gefunden hat, diese Schule der Modulation. 
Von hier an war es nicht schwer für sie den Zugang zu Schumann zu finden: Eichendorff eher als Heine schenkte ihr den Schlüssel: man muss einfach seiner “Mondnacht” zuhören.

Ihre eigene Landschaft.

Aber wie kehrt man von dieser Komplexität, die für sie so einfach ist, zu Schubert zurück? Zu seiner naiven, manchmal primitiven Art auf der Erde zu sein, dazu direkt und dicht zu singen? Sie ist immer noch auf der Suche nach ihren eigenen Landschaften. Sie werden noch kommen. Bisher hat sie keine Schwierigkeiten gehabt das Subtilste und Sinnlichste von Debussy in seinen "Proses Lyriques” zu finden. Mehr Gewölbe …

Dadurch, dass sie nicht den üblichen Wegen folgte und wenige Auftritte im Theater hatte, fordert sie erst jetzt das,was ihr anfangs nicht gegeben wurde: Rollen, wo sie in der reinen und einfachen Freude des lyrischen Gesanges strahlen kann. Fast berauschend. Es ist nicht die Rolle der Isolde, sondern die der Hanna Glawari in “Die lustige Witwe", die sie endlich in einem Alter bekommt, in dem andere gerne vergessen würden, dass sie das nicht mehr tun können. Und morgen Rosalinde in der "Fledermaus”. Als Margarethe in "Faust" erhält sie ein Bouquet aus den Händen von Siebel und in "Fausts Verdammnis” die berliozische Taufe. Sie mag die französische Sprache wegen der Vokale, der Töne und der Modulation.

Eine Dido wird in ihr reifen, wenn das reichhaltige Blühen des Septembers beginnt.

Sie folgt diesem eigenen Weg wie keine andere. Sie mag weder Flugzeuge noch das Überqueren von Ozeanen. Sie bevorzugt den Zug, sie mag es ihre Welt um sich herum zu haben, ihren Ehemann wie auch ihren Pianisten (mit seiner eigenen Familie). Ein familiärer Kokon im Schoß dessen der
Gesang glänzen und besser erblühen kann (und im Herbst wird dieses noch schmackhafter). Hier bewegt sich die Karriere in ihrem eigenen Tempo, oder besser gesagt, sie will gar nicht Karriere sein. Heutzutage gibt es nichts Selteneres. Jedoch gibt es noch kein besseres Rezept. Daher
kommt das einzigartige Kennzeichen Schwanewilms jeden Abend heraus: gleichermaßen gemütlich und intim wie an einem Kamin mit einer älteren Schwester, die wie eine Zauberin ist. Aber was sind es auch für Elixiere, was sind es für rare Aromen für die leidenschaftlichsten Feinschmecker.

A. T.


Übersetzung aus dem Französischen
(Classica /Frankreich No 171, April 2015)