Mit Richard Strauss das Leben leben (Köln 2011)

Sie sind in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Nun ist das Ruhrgebiet nicht gerade ein Landstrich, wo man von Kunst und Kultur verwöhnt wird. Wie sind Sie an die Musik geraten?
Über die Kirchenmusik. Mit dreizehn oder vierzehn wurde ich Mitglied des Kirchenchors. Mein Vater hatte den Chor nach dem Krieg wieder aufgebaut und war ebenfalls Mitglied, genau wie mein Onkel und mein Großvater. Die Schwanewilms sind in der Gemeinde immer bekannt gewesen für kräftige Stimmen. 

Waren Sie glücklich, als Sie entdeckten, dass Sie die Anlage zur Sängerin haben?
Ich wollte ja Gartenbau studieren und dann kam der Tiermedizin-Studienplatz dazwischen. Irgendwie dachte ich mir aber, dass ich noch etwas anderes in mir haben müsste, etwas, wonach ich suchen sollte. (…)

 Sie haben vor einigen Jahren das Wagner-Fach etwas eingegrenzt und haben Ihre Liebe zu Richard Strauss entdeckt. Wie weit war der Weg vom einen zum anderen?
Gar nicht so weit. (…) Elsa (Lohengrin), Sieglinde (Die Walküre), Leonore (Fidelio), das war alles gut zu bedienen, aber dadurch hatte ich drei Stufen übersprungen, sowohl fachlich als auch psychisch. Für mich war da immer noch ein lyrisches Fach dazwischen, das ich noch suchen wollte. (…) Und ich wusste, ich muss auf eine Suche gehen, auf eine Suche, die zartere Töne hervorbringt als nur Wagnertöne.

Was reizt Sie an den Frauengestalten in Richard Strauss’ Opern?
Ich wollte erst einmal meine tatsächliche lyrische Veranlagung ausleben, sprich hohe lyrische Bögen und lange lyrische Bögen singen – je länger, desto besser. Der Spinto bei Strauss ist enorm auf große lyrische Bögen ausgelegt, das liegt mir ungemein. Die Wagnerpartien wollte ich ein bisschen nach hinten schieben in der Biografie.

 Peilen Sie denn das schwere Fach irgendwann einmal an?
Ich muss dem nachgeben, was meine Stimme mir vorgibt. Ich bin kein Typ, der sich darüber hinwegsetzt. Ich bin eher ein bisschen gemütlich, will meinen Spaß haben, auch auf der Bühne, will genießen, will wenn möglich auch gestalten können, auch im dynamischen Bereich. Wenn meine Stimme mit den Jahren wächst und ich dann nicht höheren Druck ausüben muss für die dramatischen Rollen, sage ich bestimmt nicht nein.

Sie haben bisher alle Partien, die sie singen wollten, irgendwann auch gesungen. Hatten Sie ein Augenmaß dafür, was Sie erreichen können?
Nein. Ich gehe kleine Schritte. Ich gucke immer, dass mit mir rundherum alles in Ordnung ist, dass ich zufrieden bin und auch ein schönes Leben habe, denn nur dann kann ich auch gut singen. Wenn man große Schritte vorhat, übersieht man oft die kleinen, die man vielleicht hätte machen müssen.

Sie gelten als eine der weltbesten Opernsängerinnen. Sie singen an den großen Opernhäusern der Welt. Und trotzdem scheint es, als hätten Sie die Bodenhaftung nicht verloren. Woran liegt das?
Die kleinen Schritte! Einfach nur kleine Schritte machen, das Glück links und rechts sehen. Am Beruf auch die Freude sehen, die ist manchmal ein bisschen überdeckt durch den Stress, den man hat, und durch die Erwartungen, die man selbst an sich stellt, und die andere an mich haben. Aber dann: Einfach das Leben leben!

Auszüge aus dem Programmheft zum Konzert „Der schöne Sang“ im Funkhaus Wallrafplatz, Köln, mit dem WDR Rundfunkorchester Köln, Dirigent Frank Beermann. Interviewerin: Sabine Jäger, Februar 2011.